Zwei Jahrzehnte war Frank Buschmann die Stimme des ersten deutschen Sportfernsehens, dem heutigen Sport 1. Jetzt wurde die Zusammenarbeit beendet. Der Kommentator spricht im Interview über die wahren Trennungsgründe, den Wandel der Sportberichterstattung und sein Verhältnis zu Alt-Kanzler Gerhard Schröder.
Herr Buschmann, können wir uns darauf
einigen, dass Ihre Art zu kommentieren
unkonventionell ist?
Ja, weil ich Sport kommentiere, wie ich ihn empfinde: leidenschaftlich. Zuschauer in Deutschland,
die normale Sportübertragungen gewohnt sind,
sind dann schnell überfordert und empfinden es,
wie Sie sagen, als unkonventionell.
Glauben Sie nicht, mit Bemerkungen wie „Ja,
ist der denn bekloppt?“ gelegentlich verbal
über das Ziel hinauszuschießen?
Meinetwegen. Aber ich bin immer in der Lage zu
reflektieren, wann dies geschieht, ohne dabei den
Spielern oder Funktionären gegenüber respektlos
zu werden. Ich sage gerade heraus, was ich denke
und fühle. Das muss erlaubt sein.
Ein bewusst gewähltes Alleinstellungsmerkmal?
Es geht nicht darum, die Marke „Buschmann“
aufzubauen oder eine Marktlücke zu schließen. Ich
bin, wie ich bin, und so kommentiere ich auch den
Sport. Im Übrigen: „Ich bin, wie ich bin“ ist nicht
zu verwechseln mit dem abgedroschenen Begriff
der Authentizität. Heute heißt es oft: „Man muss
authentisch sein.“ Allein der Satz ist schon absurd.
Kritiker sprechen Ihnen aufgrund Ihrer
emotionalen Berichterstattung
Fachwissen
und
Kompetenz ab.
Auch wenn es arrogant klingen mag, versuche ich
es mal in aller Bescheidenheit zu sagen: Ich habe
selbst Basketball in der 2. Liga gespielt. War also
Leistungssportler. Wer kann das von sich behaupten?
Eben. Wenige. Damit fallen schon mal 80 Prozent
meiner Kritiker weg. Wer hat die Chance, sich mal
mit Michael Jordan auszutauschen? Genau! Fallen
also weitere 10 Prozent weg. Und wer durfte überhaupt schon mal Spiele im nationalen Fernsehen
live kommentieren? Jetzt sind auch die restlichen 9,9
Prozent gefallen. Aber natürlich muss ein Schreiber
der „Süddeutschen Zeitung“ ein Problem mit mir
haben. Aus der Ecke heißt es dann, mir fehle die
journalistische Distanz. Aber ich bin das Medium,
das die Begeisterung des Sports transportieren soll.
Was macht es für einen Sinn, dies stocksteif zu tun,
während bei den Zuschauern auf der Couch die
Post abgeht? Aber klar, die Goldene Kamera werde
ich so nicht gewinnen. Denn erstens bin ich bei der
„Hörzu“ nicht Everybody’s Darling. Und zweitens
erreiche ich mit meiner Sportberichterstattung zu
wenige Zuschauer. Meine Art zu kommentieren
kann also niemals Mainstream sein.
Ist Letzteres der Grund, warum die großen Sender wie
ARD und ZDF Sie bisher
gemieden haben?
Die großen Sender haben Angst, ihre Zuschauer
zu verscheuchen. Oh Gott, jetzt rede ich mich um
Kopf und Kragen. Hier wird immer der Mittelweg
gesucht. Bloß nicht anecken und ja niemanden
verärgern. Ich werde mich aber nicht verstellen,
um irgendwo einen Job zu bekommen.
Wären es aber nicht gerade diese Medienhäuser wie
ARD und ZDF, bei denen Sie jetzt anheuern müssten? Immerhin wurde in beidseitigem Einverständnis die Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen
Arbeitgeber Sport 1 soeben aufgekündigt.
Wenn ich nicht in das Konzept der Großen passe, dann muss ich das akzeptieren. Es wird mir aber
keine schlaflosen Nächte bereiten.
Mit anderen Worten:
Sie haben gar nicht die Absicht, bei einem der beiden Sender
vorstellig zu werden?
Eine Zusammenarbeit würde mich extrem reizen. Klingt komisch, ist aber so. Wenn man auf
mich zukäme und bitten würde, die Champions
League, eine Fußball-EM oder sogar eine WM zu
kommentieren, würde ich natürlich nicht Nein
sagen. Ich habe aber den leisen Verdacht, das wird
nicht passieren.
Müssen Sie sich Sorgen um Ihre berufliche
Zukunft machen?
Ich habe noch einen langfristigen Vertrag für die
Raab-Events. Darüber hinaus freue ich mich schon
jetzt wie ein Schnitzel auf den Superbowl 2014 in New Jersey, der auf Sat.1 übertragen wird. Im Netz
kommentiere ich für Spox die Spiele der
NBA, und
ich bin mir sicher, weitere Angebote werden folgen.
Meine Präsenz als Kommentator hängt also nicht
von Sport 1 ab.
Sie waren 20 Jahre die Stimme von Sport 1,
ehemals DSF, und haben den Sender mit aufgebaut. Jetzt trennte sich die Unternehmensführung von Ihnen mit der Begründung, man
wolle sich verjüngen.
Diese Aussage hat mich überrascht und auf dem
völlig falschen Fuß erwischt. Denn, und jetzt wird
es ein wenig aberwitzig, in der Branche bin ich
dafür bekannt, gerade die jüngeren Zielgruppen
anzusprechen.
Also warum die Entscheidung des Managements?
Eigentlich geht es um Exklusivrechte meine Person
betreffend. Bei Sport
1 sieht man es nicht so gern,
dass ich auch für andere Sender und außersportliche
Kommentatoren-Jobs zur Verfügung stehe. Das
ist ein legitimer Gedanke. Aber ich arbeite freiberuflich, das heißt, gewünschte Exklusivität muss
vom Sender auch entsprechend entlohnt werden.
Aus alter Verbundenheit, die sich nach 20 Jahren
nicht so einfach wegwischen lässt, hätte ich durchaus noch ein, zwei Formate mitgemacht, obwohl
ich nicht mehr als das Frontschwein von Sport
1
gelten wollte. Aber die vertraglichen Verhältnisse
müssen für beide Seiten passen. Das Angebot, das
mir gemacht wurde, war in Wirklichkeit keines.
Nach 15 Sekunden in dem Verhandlungsgespräch
war für mich klar, das Thema Sport1 ist durch.
Was ist ein Kommentator heute noch wert?
Sie sprechen vom ideellen Wert? Das interessiert
beim Fernsehen doch heutzutage kein Schwein.
Am Ende des Tages müssen die Verantwortlichen für ihre Entscheidung geradestehen. Wenn
plötzlich vier sensationelle 27-jährige Mädels das
Haus rocken, der Sender ein Sportrecht nach dem
anderen kauft und kommenden Sommer sich der
Marktanteil verdreifacht, dann kräht doch kein
Hahn mehr nach Frank Buschmann. Da müssen
wir uns nichts vormachen. Bei der neuen Führungsriege von Sport
1 scheint sich offensichtlich
nicht der Gedanke durchgesetzt zu haben, dass
der Sender von mir profitiert.
Strategische Scherereien. Wie viel Politik
steckt eigentlich in der Sportberichterstattung?
Dazu nur so viel: Die „Sportschau“ darf nicht sterben. Das ist nicht meine Meinung, sondern die der
Politiker. Seit 18 Jahren beißen sich Pay-TV-Sender
wie Sky die Zähne an ihr aus. Die „Sportschau“
ist eine Institution im deutschen Fernsehen. Und
das Angebot soll unter allen Umständen für Otto
Normalverbraucher kostenlos zugänglich bleiben.
Mit anderen Worten: Sender wie Sky dürfen noch
nicht einmal darüber nachdenken, die „Sportschau“
anzufassen. Ein Aufschrei käme sowohl von den
Programmchefs als auch von Politikern. Die würden das Sterben der „Sportschau“ nicht zulassen.
Sie waren auch schon auf der politischen Bühne zu finden. Im Jahr 2002 unterstützten
Sie rhetorisch Gerhard
Schröder bei seinem
Wahlkampf.
Eigentlich wollte man Monica Lierhaus für die
-
sen Job haben. Ich sollte nur den Kontakt zu ihr
herstellen. Monica war aber aufgrund der WM-
Berichterstattung in Japan verhindert. Ein paar
Wochen später bekam ich wieder einen Anruf:
„Herr Buschmann, können Sie sich vorstellen,
unsere Wahlkampfveranstaltung zu begleiten?“
Mein erster Satz war: „Schmetti, hör mit der Scheiße
auf, ich hab keinen Bock.“ Schmetti ist ein Kollege
von mir aus DSF-Zeiten. Am anderen Ende ertönte
dann: „Nein, mein Name ist Armin Henning vom
SPD-Parteivorstand.“ Man muss dazu sagen: Ich
war kein SPD-Mitglied, war Wechselwähler, fand aber Schröder gut. Dass aus der Wahlveranstaltung
sich hinterher auf der Bühne so eine Art Stand-up-
Veranstaltung zwischen uns entwickelte, konnte ja
keiner ahnen. Später haute mir Schröder auf die
Schulter und sagte: „Ey, super, Junge, wir sehen uns
wieder.“ Und ich: „Ja, ist klar, Herr Bundeskanzler.“
Spätestens nach der „Klartext-Debatte“
könnte der jetzige Kanzlerkandidat Steinbrück Sie ebenfalls gut gebrauchen.
Nein, ich bin für solche Veranstaltungen nicht
mehr zu haben. Und ob ich ihm helfen kann,
weiß ich nicht. Der Kerl ist manchmal einfach
zu ehrlich. Das Problem ist: Wer gewählt oder gemocht werden will, hat mit der Wahrheit oft
einen schlechten Berater.
Gilt das auch für Kommentatoren?
Die Leute wollen verarscht werden. Kompetente
Sprecher werden durch hübsche Püppchen ersetzt.
Die äußerliche Erscheinung scheint wichtiger zu
werden als der Beitrag selbst. Das kann es doch nicht
sein. Es wird spannend zu sehen, ob glatt, hübsch
und nett anzusehen der richtige Weg ist. Und das
sage ich nicht, weil ich eher ein Radiogesicht habe.
Beim Radio begann auch Ihre Karriere – in der Sportredaktion von 107.7 Radio Hagen.
Oh ja, das ist schon richtig lange her. Über 20 Jahre.
Hörfunk wurde damals noch auf richtigen Rollen
geschnitten und mit weißem Klebeband aneinandergeheftet. Da hat sich vieles geändert. Beim
Fernsehen ist es so: Wo früher ein Tontechniker, ein
Kameramann und ein Redakteur aus dem Raum
kamen, geht heute nur noch einer raus. Der nennt
sich VJ. Der macht alles allein. Den Unterschied
sieht man, wie ich finde. Von Digitalisierung war
damals natürlich noch längst nicht die Rede.
Jetzt kommentieren Sie sogar Computerspiele. Sie sind zusammen mit
Manfred
Nreukmann
die
Stimme des
Spieleklassikers „
Fifa“.
Wenn mir jemand vor fünf Jahren gesagt hätte,
dass ich es geil finden würde, Computerspiele
zu kommentieren, und das darüber hinaus auch
noch einen Marktwert hat, hätte ich demjenigen
’nen Vogel gezeigt. Das Gleiche gilt im Übrigen
auch für Übertragungen im Internet-Live-Stream.
Ein Format, mit dem Sie sich langfristig
anfreunden können?
Ich bin Fernseh-Fuzzi und was die digitalen Medien
angeht noch ein Dinosaurier. Der große Sport findet
für mich immer noch im Fernsehen statt. Aber das
Internet ermöglicht Freiheiten. In einer eigenen
Web-Show könnte ich Bastian Schweinsteiger
fragen: „Sag mal, warum sind wir Deutschen so
bescheuert und interessieren uns für keine anderen
Sportarten außer Fußball?“ Stellen Sie sich vor,
ich würde dies bei irgendeinem Fernsehsender
mit Schweini besprechen. Die erschießen mich
beim Ansatz der Frage. Aber die Fernsehleute
werden sich noch wundern, was das Internet
verändern und bewegen wird. Die eingestaubte
Berichterstattung über die Monokultur Fußball
wird auf lange Sicht nicht überleben.